Große Halle in freitragender Leichtbauweise
Die große Halle der Multihalle in Mannheims Herzogenriedpark. Foto: red/Daniel Lukac

Das Wunder von Mannheim

Herzogenried. Es gibt so manche Bausünden aus der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts; das Collinicenter ist eines der prominentesten Beispiele der Quadratestadt. Ebenfalls in der Diskussion ist die Multihalle, die für die Bundesgartenschau 1975 errichtet wurde. Auch sie ist eine Belastung, jedoch liegen hier die Dinge ein wenig anders. Sie stellt eines der bedeutendsten Bauwerke des Leichtbaus dar und ist das weltgrößte Gebäude dieser Art, das besonders dadurch beeindruckt, dass es freitragend ist. Pritzker-Preisträger Frei Otto entwarf sie als temporäre Halle; in den Plänen von 1975 war ihr eigentlich keine Zukunft beschieden. Heute wird sie als „Wunder von Mannheim“ bezeichnet.

Mit einem neuen methodischen Vorgehen wurde ein optimales Sanierungskonzept entwickelt. Einer der Schritte war die probeweise Instandsetzung des Hallendaches im Vorfeld der eigentlichen Sanierung. Diese Testflächen sind nun erfolgreich abgeschlossen. Die Revitalisierung der Multihalle ist dabei nur mittels mehrerer Einzelmaßnahmen und verschiedenster Partner und Fördermittelgeber umsetzbar. Bauherrin ist die Stadt Mannheim, sie arbeitet mit Fast + Epp als Planer gemeinsam mit der Wüstenrot Stiftung an der Mammutaufgabe. An drei repräsentativen Testflächen wurden Ideen der Sanierung, Verstärkung- und Reparatur geprüft und dabei die notwendigen Herangehensweisen geplant.

Nicht zuletzt geht es ja auch darum, die enormen Kosten in Schach zu halten. „Mit den durch die Testflächen gewonnenen Erkenntnissen kann der Sanierungsumfang realistisch festgelegt und ein optimaler Bauablauf ermittelt werden“, sagte der für das Projekt verantwortliche Mannheimer Baubürgermeister Ralf Eisenhauer. Das Hauptanliegen der Sanierung der Multihalle liegt im Erhalt der ursprünglichen Tragstruktur des Daches, die durch die filigrane Gitterschale aus Holz und die durchscheinende Dachhaut gekennzeichnet ist. Im Zuge der Sanierung muss eine Anpassung an heutige baurechtliche Anforderungen erfolgen, insbesondere im Hinblick auf Brandschutz und Standsicherheit, während gleichzeitig die historische Substanz und der Charakter des Originals unverfälscht erhalten bleiben sollen.

Die Sanierung der Multihalle soll voraussichtlich 2027 vollständig abgeschlossen sein. Sie stellt eine Herausforderung in mehrfacher Hinsicht dar. Für diese Art der Sanierung gibt es keine anerkannten Regeln der Technik. Die probeweise Instandsetzung mithilfe der Testflächen lieferte nun ein tiefgreifendes Verständnis für das Tragverhalten der Konstruktion und trägt entscheidend dazu bei, die Authentizität der Multihalle zu bewahren. Mit der innovativen Herangehensweise bewahren die Stadt Mannheim, Fast + Epp und die Wüstenrot Stiftung das architektonische Erbe des Baus und leisten gleichzeitig Pionierarbeit in der Denkmalsanierung. Auch der Bund erachtet die Multihalle als herausragend und fördert das Projekt mit fünf Millionen Euro aus dem Bundesprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“. Das Landesamt für Denkmalpflege fördert das Projekt mit 500.000 Euro.

Entworfen wurde der außergewöhnliche Bau vom Mannheimer Architekten Carlfried Mutschler. Frei Otto schuf die Dachkonstruktion, die die Halle zum architektonischen Meisterwerk macht. Die größte freitragende Holzgitterschalenkonstruktion der Welt steht seit 1998 unter Denkmalschutz. Im Sinne des Frei-Otto’schen Denkens soll die Multihalle zu einem vielseitig nutzbaren Raum der Möglichkeiten werden – als Symbol einer zukunftsorientierten Mannheimer Stadtentwicklung. Die Dachsanierung beginnt mit der Sanierung der großen Halle voraussichtlich im Sommer 2024. Die Sanierung der kleinen Halle folgt mit etwas Versatz im Herbst 2024. Ab dann wird an beiden Hallen parallel gearbeitet. Die Erneuerung der Gebäudetechnik und die Sanierung des Grundleitungssystems erfolgen in einem weiteren Bauabschnitt. Die Multihalle ist in Besitz der Stadt Mannheim unter Führung des Fachbereichs Bau- und Immobilienmanagement. red/jp

i Weitere Informationen und ein Fachartikel unter www.mannheim-multihalle.de.

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